Gregor A. Gregorius (Eugen Grosche) wurde am 11. März 1888
um
0.01 Uhr in Leipzig geboren.
Er besuchte die Volks- und Realschule in Stollberg/Erzgebirge und
Leipzig, konnte aber wegen Verarmung seiner Eltern die Realschulausbildung
nicht fortsetzen, mußte vorzeitig die Schule verlassen
und noch die letzte Klasse der Volksschule in Leipzig besuchen.
Nach seiner Schulentlassung trat er bei der Verlagsbuchhandlung
Müller-Mann in Leipzig in die Lehre. Infolge seiner wirtschaftlichen
Verhältnisse war es ihm nicht möglich, die Buchhändler-,
Lehr- und
Bildungsanstalt zu besuchen, was sich später sehr erschwerend
für die Weiterbildung als Buchhändler auswirkte.
Um die Jahrhundertwende existierte in Leipzig die Theosophische Gesellschaft, deren Leiter Franz Hartmann und Heinrich Tränker waren. Nach Hartmanns Tod übernahm der Oberlehrer Rudolph die Leitung der Theosophischen Gesellschaft, die damals der Sammelpunkt der gesamten theosophischen Bewegung war.
Eugen Grosches Mutter war zu dieser Zeit Hausdame der Theosophischen
Gesellschaft. In dieser Eigenschaft oblag ihr die Fürsorge
der
zahlreichen Gäste der Gesellschaft.
Dadurch, daß auch Grosches Mutter im Hause der Theosophischen
Gesellschaft wohnte, bekam Eugen bereits in jungen Jahren einen
Kontakt mit dieser geistigen Strömung, ohne jedoch dafür
ein besonderes Interesse zu zeigen.
In diese Leipziger Zeit fiel auch die Spaltung der Theosophischen
Gesellschaft, deren Sekretär Rudolf Steiner eine eigene Vereinigung,
die Anthroposophische Gesellschaft, gründete. An die Stelle
des
ausgeschiedenen Rudolf Steiner trat der Buchhändler Heinrich
Tränker - Mstr. Recnartus, der auch unter dem Namen Henkelkreuzmann bekannt ist.
Dieser Mstr. Recnartus erwies dem jungen Grosche seine Freundschaft
und ein besonderes Wohlwollen. Er versuchte, ihn geistig,
allerdings mit wenig Erfolg, für die Theosophie zu interessieren.
Grosche half dem Buchhändler Tränker bei den buchhändlerischen
Arbeiten (Versand) und machte auf diese Weise Bekanntschaft mit
den damaligen Okkultismus-Buchverlegern, so mit Otto Wilhelm
Barth aus München, Oswald Mutze aus Leipzig, Dr. Vollrath,
Fändrich u.a.
Diese Verleger bildeten einen geistigen und
freundschaftlichen Interessenkreis auf buchhändlerischer Basis.
So ist es erklärlich, daß in Grosche gewisse Samen gelegt
wurden, die später
Wurzeln schlugen und auch zum Blühen gebracht werden konnten.
Im Zuge seiner weiteren beruflichen Ausbildung als Buchhändler ging Grosche im Jahre 1911 nach Berlin. Hier erhielt er verschiedene Protektionen. So wurde er Gehilfe im Verlag der Zeitschrift "Der Militär-Anwärter", später Redakteur der Zeitschriften "Der Innenarchitekt" und "Deutsche Kohlen-Zeitung". Auf diese Weise erwarb er sich Kenntnisse des Zeitungsgewerbes und des drucktechnischen Verfahrens. Während dieser Zeit lernte er auch den Buchhändler Paul Dörge kennen.
Bei Ausbruch des Krieges 1914 wurde Grosche zum Kriegsdienst
eingezogen. Nach der Grundausbildung wurde er als Sanitäter
eingesetzt und später zum Sanitätsunteroffizier befördert.
Nach Beendigung des Krieges und der folgenden November-Revolution
stellte sich Grosche der Unabhängigen Sozialdemokratischen
Partei
(USPD) zur Verfügung und erhielt engen Kontakt zu den damaligen
Volksvertretern Däumig, Haase und Müller. Im Auftrage
seiner Partei
wurde er mit der Funktion eines Volkskommissars betraut und dem
Landrat des Kreises Niederbarnim beigeordnet.
Nach Ausbruch des Kapp-Putsches wurde Grosche wegen seiner
Funktionen und seines Einflusses verhaftet und in das Zellen-Gefängnis
in der Lehrter Straße eingeliefert. Nach drei
Monaten fand
die Verhandlung vor dem Reichsmilitärgericht statt, das unter
dem
Vorsitz des Neffen des Grafen Zeppelin tagte. Grosche wurde durch
den Minister Dr. Rosenfeldt und durch Wilhelm Liebknecht, den
Bruder des Politikers Karl Liebknecht, verteidigt.
Es erfolgte Freispruch!
Um Grosche eine Existenzmöglichkeit zu schaffen, wurde er auf Betreiben seiner Partei bei der Angestellten-Versicherungs-Anstalt als Unterassistent eingestellt, bald zum Assistenten ernannt und gleichzeitig von der Parteileitung unter großer Stimmenmehrheit zum Bezirksabgeordneten von Berlin-Schöneberg gewählt.
In der nun folgenden Zeit begannen sich die Auswirkungen der Inflation
zu zeigen. Eine mit Grosche befreundete Dame, die ihr Vermögen
vor der Geldentwertung retten wollte, stellte ihm RM 40.000,-
zur Verfügung. Diese Summe sollte er dazu benutzen, eine
selbständige Existenz zu gründen. Die Dame stellte
nur die eine Bedingung,
Grosche sollte sich nicht mehr politisch betätigen.
Grosche,
der wohl der damaligen Gesinnung nach Sozialist war, aber den
immer
stärker werdenden kommunistischen Tendenzen der USPD nicht
folgen wollte und konnte, übernahm mit der ihm zur Verfügung
gestellten Summe in Berlin, Kleiststraße 6, ein Papierwarengeschäft,
das
er zu einer Buchhandlung ausbaute.
Der bisher geschilderte Lebens- und Werdegang von Eugen Grosche
hatte mit Esoterik nichts zu tun.
Das sollte sich jedoch bald ändern.
Die ihm bestimmte schicksalhafte Wende brachte das Jahr 1921.
Eines Tages erschien bei Grosche der Mstr. Recnartus (Heinrich
Tränker), den er seit vielen Jahren nicht mehr gesehen
hatte, und
sagte:
"
Ich komme im Auftrage einer theosophischen und rosenkreuzerischen
Geheimgesellschaft. Diese Gesellschaft hat Sie von Ihren jungen
Jahren an im Auge behalten. Sie ist von der geistigen Bedeutung
Ihres Ego und von Ihren Fähigkeiten überzeugt.
Die Gesellschaft macht Ihnen den Vorschlag, die Buchhandlung, die
Sie jetzt erworben haben, zu einer okkulten Spezial-Buchhandlung
auszubauen, deren Wirkung sich über ganz Deutschland erstrecken
soll. Sie wird gestützt durch entsprechende Kommissions-Lieferungen
von Tausenden von Schriften, die Ihnen zur Verfügung gestellt
werden. Ihr buchhändlerisches Fachwissen allein genügt
uns aber
nicht. Es gehört auch das nötige okkulte Wissen dazu!
Wir bitten Sie deshalb, sich folgender Kurse zu unterziehen, und
zwar Astrologie bei Prof. Peschke und Hypnose, Magnetismus und
magische Praktiken bei dem Heilpraktiker Paul Linke.
Außerdem erhalten Sie direkte Anweisungen von unserer Gesellschaft.
Daneben werden Ihnen weitere persönliche Verbindungen
mit führenden Persönlichkeiten aus unseren Gebieten zugesagt.
Sie erhalten weiter die Aufgabe, sofort, wenn die Buchhandlung
existenzfähig ist, eine esoterische Gesellschaft zu gründen,
in der
laufend entsprechende Vorträge gehalten werden.
Die Leitung dieser Gesellschaft übernehmen Sie selbst.
Aus dieser esoterischen Gesellschaft werden Sie dann später
die
erste Pansophische Loge, Orient Berlin, installieren.
Sie sind in der zu gründenden Pansophischen Loge als Sekretär
in
Aussicht genommen.
Einen Meister schlagen Sie dann aus Ihrem Freundeskreis vor, denn
der Sekretär ist für uns wichtiger als der amtierende
Stuhlmeister.
Wenn alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, komme ich zur Erleuchtung
der Loge, Orient Berlin, wieder."
Nach diesen Weisungen handelte Grosche. Durch ihn entstand die
bekannte Buchhandlung "Inveha", die Esoterische Studien-Gesellschaft
e.V., Berlin, und die Pansophische Loge der lichtsuchenden
Brüder, Orient Berlin, zu deren Stuhlmeister der Ufa-Architekt
Albin
Grau (Mstr. Pacitius) gewählt und ernannt wurde.
Die Installierung der Loge erfolgte durch Mstr. Recnartus.
Im weiteren Verlauf übernahm Grosche später auch die
Leitung des
Forschungsinstituts für Okkultismus in Berlin, Bayerischer
Platz.
Im Jahre 1925 trat Aleister Crowley (Meister Therion) in Erscheinung.
Meister Therion war aus Frankreich ausgewiesen worden und
suchte vorübergehend in Deutschland Zuflucht.
Er wohnte einige Wochen in Thüringen im Hause des nach dort übergesiedelten
Heinrich Tränker (Mstr. Recnartus).
Während dieser Zeit lud Mstr. Recnartus zu einer Geheimsitzung
ein,
an der u.a. aus Berlin Mstr. Pacitius und der Logensekretär
Gregorius (Eugen Grosche) teilnahmen, um über eine Zusammenarbeit
auf
thelemischer Grundlage zu beraten.
Meister Therion stellte in dieser Sitzung die Forderung, daß nicht
nur
die Pansophische Loge, sondern auch das deutsche Rosenkreuzertum
mit sämtlichen angeschlossenen Orden, als deren Großmeister
Recnartus wirkte, sich unter Therions Oberherrschaft stellen sollten.
Diese Forderung wurde jedoch abgelehnt, und Meister Therion begab
sich nach Sizilien.
Der Bruch zwischen dem Meister Therion und Mstr. Recnartus wurde
durch Recnartus' Verhalten noch verschärft, da dieser von
sich aus
in Berlin um einen Ausweisungsbeschluß gegen Therion nachsuchte.
Außerdem führte Mstr. Recnartus ein magisches Ritual
gegen den Meister Therion durch, um diesen "unschädlich" zu
machen.
Dieses Vorgehen des Recnartus fand nicht die Billigung des Berliner
Orients der Pansophischen Loge.
Mstr. Pacitius forderte deshalb Mstr. Recnartus auf, sein Amt als
Großmeister der Pansophischen Loge und der R+C-Bewegung
niederzulegen.
Weil Mstr. Recnartus diesem Ersuchen nicht nachkam, erfolgte daraufhin
in ritueller Feierlichkeit die Auflösung des Orients
Berlin der
Pansophischen Loge.
Außerdem kam es zum persönlichen Bruch mit Mstr. Recnartus.
Es ist wichtig, festgehalten zu werden, daß Gregorius während
seiner Tätigkeit als Sekretär der Pansophischen Loge
von Mstr. Recnartus den Sonderauftrag erhielt, den Geheimorden
O.T.O. neu zu
errichten.
Mstr. Recnartus war Deutschlands Großmeister des O.T.O.,
der viele
Jahre stillgelegt war und nur noch 3 Mitglieder umfaßte.
Meister Therion gab zu diesem Vorhaben in seiner Eigenschaft als
Weltmeister (O.H.O. = Outer Head of the Order) seine Genehmigung.
Zu diesem Zweck der Neugründung des O.T.O. in Deutschland
erhielt Gregorius direkte Weisungen von Meister Therion über
die
Thelema-Gesellschaft in Leipzig.
Gregorius wurde in den O.T.O. aufgenommen und in den 5. Grad erhoben.
In einer im April 1928 stattgefundenen Sitzung der früheren
Pansophischen Loge sollte darüber abgestimmt werden, ob es
angebracht wäre, daß sich die gelöschte Loge unter
dem Namen "Fraternitas Saturni" neu konstituieren sollte,
ohne sich jedoch dem
Meister Therion organisatorisch zu unterstellen, dafür aber
das
"
Gesetz von Thelema" als richtungsweisend für den Neuen Äon
anzuerkennen.
Die Abstimmung ergab, daß ein Drittel der damaligen früheren
Mitglieder nicht gesonnen und gewillt war, diesen neuen geistigen
Kurs einzuschlagen.
Die überwiegende Mehrheit sprach sich für eine neue Loge
unter dem Namen Fraternitas Saturni aus und wählte Gregorius
zum Orts
und Stuhlmeister.
Die offizielle Gründung und Installierung erfolgte zu Ostern
1928.
1930 mußte sich aus wirtschaftlichen Gründen die Esoterische
Studien-Gesellschaft e.V. auflösen. In diesen finanziellen
Zusammenbruch wurde auch die okkulte Buchhandlung Inveha hineingezogen.
Gregorius übergab sein Geschäft seinem Freund Paul Dörge
und eröffnete eine Praxis als Psychotherapeut am Bayerischen
Platz.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 wurde
der
Druck auf okkulte Gesellschaften und Vereinigungen immer stärker.
Die Leiter dieser Organisationen wurden nach und nach verhaftet.
Gregorius gelang es, gewarnt durch mehrere Vernehmungen und Beschlagnahme
seiner Bibliothek, noch rechtzeitig Ende 1936 nach der
Schweiz zu entkommen.
Nach zweijährigem Aufenthalt, unterstützt durch schweizerische
Freimaurerlogen, erhielt Gregorius die Genehmigung zur Ausreise
nach Cannero am Lago Maggiore in Italien.
Von dort wurde er, obwohl sein Aufenthalt vom Außenministerium
in Rom genehmigt worden war, 1942 nach Deutschland ausgewiesen.
Nach seiner Rückkehr aus Italien nahm Gregorius
eine Stellung als
Geschäftsführer in einer Buchhandlung an.
Nach einem Jahr wurde er jedoch von der Gestapo verhaftet und von
Oktober 1943 bis Oktober 1944 in Schutzhaft genommen.
Anfang 1945 wurde Gregorius noch zur aktiven Kampfpolizei als
Wachtmeister eingezogen.
Vor dem Einmarsch der Russen gelang es ihm, aus Dresden, seinem
letzten Aufenthaltsort, zu flüchten und sich nach Riesa abzusetzen.
Aufgrund seiner früheren linksgerichteten Einstellung und
Vergangenheit wurde Gregorius als Stadtrat für das Kultur-,
Schul- und Museumswesen eingesetzt. Zwangsläufig mußte
er auch der Kommunistischen Partei (KPD) beitreten.
1948 erfolgte sein Ausschluß aus der Partei mit der Begründung,
er
wäre zu "bürgerlich".
Daraufhin legte er freiwillig alle seine Ämter nieder und
gründete
in Riesa eine Buchhandlung mit einer Kunst- und Antiquitätenabteilung.
Während seiner Dienstzeit als Kulturdezernent bei der Stadt
Riesa
begann Gregorius mit dem Neuaufbau der Loge.
Gleichzeitig knüpfte er die durch die Kriegswirren abgerissenen
Auslandsverbindungen wieder an.
Dies nahm die KPD zum Anlaß, weiter gegen ihn vorzugehen,
zumal
er als Vorsitzender des Kulturbundes esoterische Vorträge
hielt und
halten ließ.
Von Freunden gewarnt, flüchtete Gregorius im Juli 1950 von Riesa nach Berlin. Hier gelang es ihm bald wegen seiner Verbindungen und Beziehungen in und zu okkulten Kreisen, der Loge neue Mitglieder zuzuführen und die Loge zur neuen Blüte zu bringen.
Gregor A. Gregorius starb im Alter von fast 76 Jahren am 5. Januar 1964. Die Beisetzung erfolgte am 14. Januar auf dem Waldfriedhof in Berlin-Zehlendorf, das Totenritual zelebrierte sein Freund und Ordensbruder Mstr. Giovanni.
Gregor A. Gregorius gehört zu den wenigen großen Eingeweihten des 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum. Er hat ein reiches Erbe hinterlassen, das dem ORDO SATURNI Aufgabe und Verpflichtung ist.